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Editorial April Können wir die Energiewende wirklich beschleunigen?

Editorial April
Elbe im Frühling (Hamburg Media Server)

Die neue Bundesregierung ist angetreten mit einigen wichtigen Zielen, um die Energiewende wesentlich zu beschleunigen. Um ein paar Beispiele zu nennen: der Anteil erneuerbaren Stroms soll von 45% jetzt auf 80% 2030 steigen. Die ausgewiesenen Flächen für Windparks an Land soll enauf 2% der Gesamtfläche steigen; heute sind es weniger als 1% im bundesweiten Schnitt. Bei Offshore-Windenergie soll ausgehend von ca. 8 Gigawatt heute 2030 schon 30 Gigawatt installiert sein. Die installierten großen und kleinen Solaranlagen sollen von heute 54 Gigawatt auf 215 Gigawatt 2030 steigen. Und 2030 sollen zehn Gigawatt an Elektrolyseleistung in Deutschland installiert sein, um damit grünen Wasserstoff zu erzeugen. Heute sind es wenige Hundert Megawatt. Verdoppeln, verdreifachen, verhundertfachen in acht Jahren.

Es ist sicher nicht unmöglich, diese Ziele zu erreichen, aber es ist uns allen in der Branche klar, dass dies einen gewaltigen Kraftakt erfordert. In der Erneuerbaren-Energien-Branche werden es vor Allem diese großen Herausforderungen sein: die weltweiten Versorgungsketten für Rohstoffe, Komponenten und Fertigung auf- und auszubauen, die Logistik an Land und auf See zu organisieren in nie gekanntem Ausmaß, insbesondere für die Windenergie. Und wahrscheinlich die wichtigste Herausforderung: das Personal einzustellen, dass die Anlagen bauen und installieren kann. Und dies in einer Branche der Solar- und Windenergie wo seit 2012 eine sechsstellige Anzahl an Arbeitsplätzen abgebaut wurde, nach dem mutwilligen Verzögern des Ausbaus. Aber die Branchen sind optimistisch, dass sie es schaffen können, wenn sie dafür auch langfristige Stabilität anstatt der Flatterhaftigkeit des letzten Jahrzehnts bekommen.

Aber nicht nur die Industrie muss dieses neue Ausbautempo bewältigen können. Insbesondere die öffentliche Hand muss mehr als einen Turbo einlegen: die ausgewiesenen Flächen für Windparks an Land und auf See und für Solaranlagen müssen vervielfacht werden. Es müssen Genehmigungen im Akkord erteilt werden, nicht nur für bekannte Technologien wie Wind- und Solarparks: auch für bisher selten gebaute Elektrolyseure, andere Speichertechnologien und großräumige Energienetze. Ob die Dimension dieser Aufgaben schon erkannt wurde, die auf Bund, Behörden, Länder und Kommunen zukommt? Ob die Einstellungsprogramme für zusätzliches Verwaltungspersonal dafür schon anlaufen? Insbesondere hier ist ein Kraftakt erforderlich, der in der Dimension wahrscheinlich vergleichbar ist mit dem 100-Milliarden-Programm für die Bundeswehr, da das Jahr 2030 nur noch achtJahre entfernt ist. Immerhin haben uns die letzten Wochen gezeigt, wie schnell es gehen kann, wenn kurzfristig andere Flüssigerdgaslieferanten weltweit gefunden werden müssen. Diesen Turbo braucht die öffentliche Hand für das neue Mindset der Energiewende - aber jetzt dauerhaft!

Über Jan Rispens

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Seit Gründung in 2011 ist Jan Rispens, als gelernter Elektrotechnik-Ingenieur, Geschäftsführer der EEHH Clusteragentur und seit 20 Jahren aktiv im Bereich nachhaltige Energieversorgung und Klimaschutz.

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