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"Pilotprojekt: Wir errichten Floating-Offshore-Windkraftanlagen" Interview mit Minka St. James, Schmidbauer, zum Projekt Provence Grande Large

Über das Pilotprojekt Provence Grande Large mit schwimmenden Windturbinen berichtet Minka St. James im Interview.

EEHH: Bitte schildern Sie uns die Rahmenbedingungen und die Besonderheiten des Projektes Provence Grande Large in Südfrankreich!

Minka St. James: „Im März 2020 wurden wir von Siemens Gamesa Reneawable Energy (SGRE) beauftragt, bei der Schwerlastlogistik von drei Prototypen schwimmender Offshore-Windkraftanlagen für das Projekt Provence Grand Large der EDF Renouvelables in Fos-sur-Mer, Frankreich zu unterstützen. Seither sind wir Teil des innovativen Engineering Teams und in der Planung intensiv dabei. Schmidbauer ist bei dem Projekt für die gesamte Hafenlogistik verantwortlich und steuert den Zusammenbau der Windkraft-Anlagenteile. So wurde beispielsweise nach unseren Vorgaben das Hafenareal verstärkt und ein spezielles Lastverteilkonzept entwickelt. Bei diesem Novum werden zur Installation die schwimmenden Fundamente auf offenem Meer platziert, auf denen wir die Komponente von der Kai-Kante aus samt Flügel errichten. Die zusammengebauten schwimmenden Windkraftanlagen werden schließlich mit Schleppschiffen an ihren endgültigen Einsatzort, ca. 17 km vor dem Napoléon-Strand entfernt, gezogen und dort festgemacht.

Für das Projekt stellt Schmidbauer den Hauptkran, einen 1,350 t Raupenkran LR 11350 mit Power Boom 150 m, einen 400 t Raupenkran CC 2400-1 als Hilfskran, 40 SPMT-Achsen (selbstfahrende Transportmodule) und einen 130 t Mobilkran. Ende März beginnen wir mit dem Konstruktionsaufbau vor Ort; der erste Hub erfolgt dann Anfang Juni. Um sich die Dimensionen mal vorstellen zu können: nur der Hauptkran allein wird mit ca. 120 LKW angeliefert. Das benötigt ein eingespieltes Logistik Team. Auf der Baustelle sind wir mit rund 10 Personen aus dem Schmidbauer Heavy Lift Bereich bis Anfang August tätig.

Vor der südfranzösischen Küste im Faraman-Gebiet entsteht somit bei Port- Saint-Louis-du-Rhône der erste französische schwimmende Windpark mit jeweils 8,4 MW Leistung. Es sollen mit Hilfe der Anlagen auch wichtige Daten eingeholt werden, um einerseits die Weiterentwicklung dieser Schwimm-Technik zu befördern und anderseits auch den Einfluss auf das Ökosystem besser zu bewerten.“

EEHH: Liebe Minka, wie genau lief die Ausschreibung von Siemens Gamesa Renewable Energy ab?

Minka St. James: „Im November 2019 erhielten wir von SGRE die Ausschreibungsunterlagen und wurden dann im Februar 2020 gemeinsam mit zwei Mitbewerbern vor Ort in Frankreich eingeladen. Es war für uns ungewöhnlich quasi zeitgleich gegeneinander für das Projekt anzutreten. Durch unser überzeugendes Engineering-Konzept, das auf Grund unserer langjährigen Offshore-Erfahrungen basiert, konnten wir jedoch dieses spannende und lehrreiche Projekt gewinnen. Seither sind wir intensiv in den Prozessen mit Siemens Gamesa Renewable Energy involviert. Der frühe und enge Austausch ist sehr hilfreich für das Projekt und wird von allen Projektbeteiligten sehr geschätzt.“

EEHH: Was ist das Besondere an dem Projekt Grande Large?

Minka St. James: „Bei den drei schwimmenden Offshore-Windkraftanlagen handelt es sich um weltweit einzigartige Prototypen, die besonders umweltschonend sind, weil sie nur sehr wenig Meeresoberfläche bedecken und ein Leinensystem verwenden, das den Meeresboden minimal berührt. Insgesamt 45.000 Personenhaushalte sollen mit 25 MW Strom versorgt werden. Auch die Öffentlichkeit wurde durch Auftritte des Projektentwicklers EDFR auf Großveranstaltungen vorab miteinbezogen. Wir sind uns bewusst, dass die Schwerlastlogistik bei der Anlagenerrichtung bei jedem Windprojekt eine wichtige Rolle spielt. Oftmals werden wir als Dienstleister viel zu spät in die Projekte einbezogen. Für uns war es sehr wertvoll, in diesem Fall von Beginn an das Projekt mit unserer Expertise bereichern zu können. Wir verfügen aus den vergangenen 15 Jahren über sehr viel Erfahrung mit der Installation konventioneller Windanlagen, die natürlich dem Projekt Provence Grande Large zu Gute kommt.“

EEHH: Wird Schmidbauer sich weiter im Bereich Floating Offshore Wind engagieren?

Minka St. James: „Ja, auf jeden Fall. Wir haben im vergangenen Jahr gezielt in Geräte für die Projekte der Energiewende investiert, was einerseits viel Mut und Risikobereitschaft erfordert, aber auch das entsprechende Verantwortungsbewusstsein des mittelständischen Familienunternehmens zeigt. In ganz Europa gibt es nur wenige Krane in dieser Größenklasse, in Deutschland besitzen wir den einzigen. Es wäre wünschenswert, wenn wir in Deutschland das Thema „Local Content“ mehr Beachtung schenken, ohne den Wettbewerb dabei einzudämmen. In den USA beispielsweise, in denen Offshore-Wind aktuell sehr viel Fahrt aufnimmt, werden die örtlichen Dienstleister wesentlich mehr berücksichtigt.

Der US-amerikanische Markt könnte perspektivisch für uns auch an Bedeutung gewinnen, da dort die Vielzahl der Offshore-Projekte mit schwimmenden Windturbinen geplant werden; da können wir vielleicht aus unserem Erfahrungsschatz unterstützen. Daher besuchen wir Ende März bereits zum zweiten Mal das International Partnering Forum (IPF) in Baltimore, um uns über die aktuellen Trends zu informieren und den Austausch mit der Industrie weiter zu pflegen. Wir setzten auf starke Partnerschaften, um die bekannten und vielleicht noch unbekannten Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.“

www.schmidbauer-gruppe.de

https://provencegrandlarge.fr/

Schmidbauer tritt auch auf der Hamburg Wind Conference am 9. Mai 2023 auf.

Programm und Registrierung unter:

https://www.erneuerbare-energien-hamburg.de/de/events/details/hamburg-offshore-wind-conference-2023-how-2023.html

 

 

 

Über Astrid Dose

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Reden, schreiben und organisieren – und das mit viel Spaß! So sehen meine Tage beim EEHH-Cluster aus. Seit 2011 verantworte ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing des Hamburger Branchennetzwerkes. Von Haus aus bin ich Historikerin und Anglistin, mit einem großen Faible für technische Themen.

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