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Orangener H2 vs. RED II: ist alles, was nicht grün ist, gleich schlecht? Interview mit Jochen Springer, Senior Berater bei der HiiCCE GmbH

Im Gespräch mit Jochen Springer vom Hamburg Institute for Innovation, Climate Protection and Circular Economy (HiiCCE), über den orangenen Wasserstoff und die damit verbundenen regulatorischen Hemmnisse in der Abfallwirtschaft und im Verkehrssektor.

Orangener H2 vs. RED II: ist alles, was nicht grün ist, gleich schlecht?
Technisch kann Wasserstoff aus der thermischen Abfallbehandlung direkt als Treibstoff oder für Syntheseprozesse zur Schließung der Kohlenstoffkreisläufe genutzt werden.

EEHH: Sie sind seit einigen Jahren als Experte am HiiCCE tätig. Können Sie zunächst erläutern, was man unter orangenem Wasserstoff versteht?

Jochen Springer: „Oranger Wasserstoff entsteht aus der Abfallverwertung. Die farbliche Zuordnung wurde durch die Interessensverbände der Abfallwirtschaft ITAD und VKU gewählt im Rahmen ihrer Beteiligung zum Gesetzgebungsverfahren des Gesetzes zur Weitentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote. Grundsätzlich können zwei Pfade unterschieden werden: die Vergärung organischer Abfälle mit bspw. Dampfreformierung des Biomethans und die Elektrolyse mit dem Überschussstrom aus der thermischen Abfallbehandlung. Fokus der Stellungnahme für die Abfallwirtschaft lag insbesondere auf dem zweiten Produktionspfad, der Elektrolyse und hatte mit der Vergärung in erster Linie nichts zu tun.

EEHH: Was sind die Potenziale und Anwendungsmöglichkeiten von orangenem H2?

Jochen Springer: „Der zweite Produktionspfad - die Elektrolyse mit dem Überschussstrom aus Abfallverbrennung - bietet ausreichend große H2-Potenziale um Entsorgern, die solche Anlagen betreiben, eine Treibstoffeigenversorgung für ihren Fuhrpark zu erlauben, ein wichtiger Baustein für eine klimaneutrale Abfallwirtschaft. Im Falle der Stadtreinigung Hamburg bspw. könnte nach Deckung des Eigenbedarfes die gleiche Menge Wasserstoff noch an Dritte abgegeben werden.

EEHH: Inwiefern ist der orangene H2 wirtschaftlich für die Unternehmen?

Jochen Springer: „Der orangene H2 hat im Verkehrssektor leider nur eine kurze Zukunft. Spätestens wenn die RED III fertiggestellt ist, wird der orangene H2 nicht mehr Treibhausgas-Quoten senkend anerkannt. Bereits in dem aktuellen Entwurf des Delegated Acts der RED II wird definiert, dass der H2 biogenen Ursprungs, wie der orangene, nicht grün ist. Dieser kann dann nicht mehr quotenwirksam angerechnet werden. Hiermit ist daher leider keine langfristige Wirtschaftlichkeit mehr möglich.“

EEHH: Das ist sehr bedauerlich. Weshalb wird der orangene H2 regulatorisch nicht miteinbezogen und was wären die Argumente dafür?

Jochen Springer: Der übergreifende Punkt ist schlicht die reine grüne H2-Lehre in der Politik, die den Ausbau der regenerativen Energien über den Wasserstoffhebel voranbringen möchte. Das ist langfristig auch sicher erforderlich, doch werden aktuell begonnene Bemühungen, die nationale Wasserstoffwirtschaft hochzufahren, hierdurch behindert. DieH2-Erzeugung aus Biomethan mittels Vergärung halte auch ich für ineffizient, die Konversion ist – wie alle solche Prozesse – mit Verlusten verbunden und das eigentlich nur, um einen gasförmigen und speicherbaren Energieträger in einen anderen zu verwandeln.  Für die Nutzung von Strom aus der thermischen Abfallbehandlung spricht, dass dieser als Überschussenergie thermisch geführter Anlagen weder grundlastfähig noch systemdienlich ist. Es gibt derzeit keine technischen Möglichkeiten, Haushalts-Restabfälle stofflich zu verwerten. Und trotz aller Bemühungen zur und Erfolge bei der Erhöhung der Recyclingquoten werden wir auch zukünftig nicht komplett auf die Abfallverbrennung verzichten können. Warum sollten wir diesen Prozess also nicht als regenerative Kraftstoffquelle nutzen?

EEHH: Gibt es neue Ansätze zur Etablierung einer Kreislaufwirtschaft im Bereich der Abfallverbrennung?

Jochen Springer: Ja, am relevantesten ist die Schließung der Kohlenstoffkreisläufe. Durch die Carbon-Capture-Technologien kann das CO2 abgefangen und mit H2 für Syntheseprozesse wie Methanisierung, Methanol-Synthese und Fischer-Tropsch-Synthese verwertet werden. Am Ende der Kette entstehen E-Fuels, die fossile Treibstoffe ersetzen können, oder Vorprodukte für die chemische Industrie. Um das zu verwirklichen, ist auch in der Abfallwirtschaft ein Anschluss an das H2-Netz wichtig. Die Stadtreinigung Hamburg hat bereits eine Anfrage von Gasnetz Hamburg bekommen, welche den Anschluss an das Wasserstoff-Industrie-Netz HH-WIN anbietet.

EEHH: Gibt es überhaupt noch Projekte mit orangenem H2?

Jochen Springer: Es gibt einige Förderprojekte, die andauern z.B. das Wuppertaler-Projekt von WSW, AWG und EKOCity. In Hamburg ist mir nur das Projekt von SRH und HiiCCE an der MVR Müllverwertung Rugenberger Damm bekannt. Wir werden dort den Wasserstoff für Pilotprojekte, in denen die CO2-Gewinnung aus Rauchgasen und die Syntheseprozesse erprobt werden, einsetzen. Darin liegt in der Abfallwirtschaft auch die Zukunft, denn Klimaneutralität bedeutet viel mehr als nur der Wasserstoff selbst.

Im Interview

Diplomphysiker Jochen Springer, Senior Berater am Hamburg Institute for Innovation, Climate Protection and Circular Economy (HiiCCE) beschäftigt sich mit Aspekten der klimaneutralen Abfallwirtschaft.

Über Wiktoria Geca

Profilbild zu: Wiktoria Geca

Spaziergänge an der frischen Luft, Seebäder an warmen Sommertagen und entspannte Stunden auf einer grünen Wiese mit Frisbee - derlei kostbaren Güter möchte ich als Umweltingenieurin der jungen Generation schützen. Um dieses Ziel zu erfüllen, muss dem Klimawandel entgegengesteuert und die Energiewende vorangetrieben werden. Dafür setze ich mich täglich sowohl in meinem Studium an der TUHH als auch in meinem Arbeitsleben bei der EEHH ein und versuche einen Beitrag für eine schöne und sichere Welt von morgen zu leisten.

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