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Eine Wärmewende mit Plan Inside Energiewende – Der (un)aufgeregte Realtalk

Eine Wärmewende mit Plan

Die Gaskrise hat im Jahr 2022 Fragen zur Energieversorgung, die sonst nur in Fachkreisen diskutiert werden, in die breite Gesellschaft getragen. Wie wollen wir zukünftig heizen und wie kann eine Wärmewende gestaltet werden, die ja auch eine langfristige Vorsorge ist, die uns von internationalen Energiemärkten unabhängiger macht? Von den Auswirkungen der derzeitigen Energiekrise werden Verbraucher*innen und Wirtschaft noch Jahre betroffen sein.

Etwas mehr als ein Jahr später schreibt der Tagesspiegel, dass sich der seit Monaten öffentlich ausgetragene Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf die Frage „Mehr Regeln oder mehr Anreize?“ verkürzen lässt. Dem Thema mangelt es weiterhin nicht an öffentlicher Aufmerksamkeit: Erhitzte Diskussionen gab es nicht nur an den heimischen Esszimmer- und Stammtischen, auch Medienbeiträge zum GEG gab es in jeglicher Couleur – oftmals lies die Diskussion an Sachlichkeit vermissen. Die Energieunabhängigkeit und folglich langfristige Bezahlbarkeit von Energie sind aus der Debatte verschwunden. Auch die Frage, welche Maßnahmen zu welcher Emissionsreduktion führen und mit welchen Unsicherheiten diese Prognosen behaftet sind, spielt in der emotional geführten Debatte – mehrfach wurde mit der „Angst vor dem Heizungsgesetz“ tituliert – eine untergeordnete Rolle. Die stellvertretenden Entweder-Oder-Diskussionen über Anreize und Verbote, die uns täglich vorgesetzt werden, befinden sich auf einer Flughöhe, die nur zu viel heißer Luft führt, aber eben zu keiner Wärmewende.

Die Klimaziele sollten wir in der Diskussion übrigens zu keiner Zeit aus den Augen verlieren, beschränken sie sich ja längst nicht mehr auf politische Absichtserklärungen. Vielmehr sind sie bereits in diversen Gesetzen national oder international verankert bzw. werden weiter verankert und nachgeschärft – es müssen also Taten folgen. Mit Fokus auf Hamburg passt dazu die Ende Mai veröffentlichte Expertise des Klimabeirats (Datengrundlage 2021), die zeigt, dass die notwendige Dynamik zum Erreichen der Klimaziele, Wärmewende inklusive, nicht erkennbar ist, sowohl für das 55 % CO2-Reduktionsziel aus dem Klimaplan 2019 als auch für die in der Novelle von 2023 angestrebten 70 %.

Auf der Suche nach etwas positiver Aufregung, die Mut macht, geht der Blick heute in Richtung kommunale Wärmeplanung.

Wärmenetze als Lösung für Hamburg

In einer Metropole wie Hamburg ist die Wärmewende – Hochtemperatur-Prozesswärme in der Industrie sei an dieser Stelle einmal ausgeklammert – ein essenzieller Teil der energetischen Transformation. Während im Neubau bzw. in Neubauquartieren wie Oberbillwerder der Einbau von Wärmepumpen bzw. die Kombination mit Nahwärmenetzen einfach möglich ist, sind die Herausforderungen im Bestand deutlich größer. Gerade im stark verdichteten, urbanen Raum steigt die Bedeutung von Wärmenetzen. Individuellen nachhaltigen Wärmelösungen stehen oftmals nicht ausreichend Fläche zur Verfügung. Zahlreiche kleine Wärmepumpen am Niederspannungsnetz sind außerdem eine größere Herausforderung für den Stromnetzbetreiber als wenige größere, die besser steuerbar und gegebenenfalls auch an einer höheren Spannungsebene angeschlossen sind. Darüber hinaus erlauben Wärmenetze die Integration von Geothermie, wie gegenwärtig im Projekt IW³ in Wilhelmsburg, von industrieller und gewerblicher Abwärme sowie Sektorenkopplungstechnologien wie Power-to-Heat oder der Kraft-Wärme-Kopplung.

Herausforderung für Netzbetreiber

Die bestehenden Wärmenetze in Hamburg versorgen etwa 25 % der Hamburger Haushalte (Stand 2020), allerdings noch mehrheitlich unter der Verwendung fossiler Energieträger. Für das große Fernwärmenetz ist daher der Kohleausstieg (Wedel und Tiefstack) bis 2030 das zentrale Vorhaben der Hamburger Energiewerke. Bestehende Netze können darüber hinaus nachverdichtet werden, d. h. neue Kund*innen im Netzgebiet werden mit geringerem Aufwand erschlossen und bekommen erstmals einen Netzanschluss. Größere Netzausbauvorhaben gibt es derzeit allerdings nicht, denn auf dem freien Markt entscheiden die Kund*innen, ob sie angeschlossen werden möchten, ob sie nach Ablauf der maximalen Vertragslaufzeit von 10 Jahren ihren Anschluss kündigen oder ob der Leistungsbezug innerhalb eines Jahres stark reduziert werden soll, weil man sich eine eigene Heizung auf Basis Erneuerbarer Energien einbauen möchte. Insgesamt sind die Unwägbarkeiten für potenzielle Netzbetreiber zu groß, um eine Investitionsentscheidung zu treffen.

Kommunale Wärmeplanung als Lösung

Seit Anfang Mai liegt mit dem Referentenentwurf zur kommunalen Wärmeplanung eine mögliche Lösung vor, an die Akteur*innen der Wärmebranche große Erwartungen knüpfen. Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohner*innen sind demnach verpflichtet bis Ende 2026 einen Wärmeplan für den Weg zur klimaneutralen Wärmeversorgung zu erstellen, kleine Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohner*innen haben bis Ende 2028 Zeit. Zu einem Wärmeplan gehören eine detaillierte Bestandsanalyse als Ausgangspunkt, eine Potenzialanalyse zur Erzeugung und Nutzung von Wärme aus Erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme sowie ein Zielszenario bis 2045, das sich auf die Ergebnisse der ersten beiden Aspekte stützt. Dabei werden Wärmeversorgungsgebiete definiert, in denen Wärmenetze oder dezentrale Wärmeerzeuger präferiert sind. Eine wichtige Maßnahme zur Umsetzung der Wärmeplanung ist neben dem Ausweisen von Netzgebieten auch die Einführung eines Anschluss- bzw. Benutzungszwangs. Mit der kommunalen Wärmeplanung soll außerdem das Baugesetzbuch geändert werden, so dass im Rahmen der Bauleitplanung Flächen beispielsweise für die Wärmezentralen der Netze reserviert werden können. Der Ausbau von Wärmeerzeugungs- und -infrastrukturanlagen soll darüber hinaus im überragenden öffentlichen Interesse liegen, was Genehmigungsverfahren beschleunigt.

Das Gesetz befindet sich derzeit in der Verbändeanhörung und soll idealerweise vor der Sommerpause vom Bundeskabinett verabschiedet werden und nach Zustimmung aus Bundestag und Bundesrat Anfang 2024 in Kraft treten.

Für das Cluster wird die kommunale Wärmeplanung in den nächsten Jahren ein zentrales Thema des Forums Wärme. Unsere Expert*innen informieren und diskutieren dort über die wichtigsten Entwicklungen und unterstützen die BUKEA als planungsverantwortliche Stelle der Stadt gerne bei der Umsetzung. Alles wie immer sachlich und unaufgeregt.  

Über Steffen Bechtel

Profilbild zu: Steffen Bechtel

Im Cluster EEHH bin ich seit Februar 2022 für die Themenbereiche Sektorenkopplung und erneuerbare Wärme zuständig. Ich bin Ingenieur mit dem Schwerpunkt Energietechnik und arbeite mit großer Freude daran, die Energiewende in Hamburg voranzubringen.

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