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Programm „Expert*innen Qualifizierung Wasserstoffsysteme“ Interview mit Jan Heinze

Im folgenden Interview berichtet Akademie-Leiter Jan Heinze über das neue Weiterbildungsprogram "Expert*innen Qualifizierung Wasserstoffsysteme".

Programm „Expert*innen Qualifizierung Wasserstoffsysteme“

Ende Mai startete der erste „Jahrgang“ „Otto Lilienthal“ des neuen Qualifizierungsprogrammes für Wasserstoffsysteme an der Heinze Akademie in Hamburg. Techniker und Ingenieure erhalten hier eine andernorts bislang kaum erhältliche Weiterbildung in einem Arbeitsfeld, das immer bedeutsamer wird für die Zukunft des Industriestandortes Hamburg. Jan Heinze, Inhaber der Heinze Akademie, hat mit seinem Team dieses neue Lehrgangsangebot umgesetzt. Er führt das Familienunternehmen seit 2003 in dritter Generation und sprach mit EEHH über Konzeption und Anspruch des neuen Programms.

EEHH: Herr Heinze, wie entstand das Wasserstoff-Qualifizierungsprogramm?

Jan Heinze: "Das Thema Wasserstoff und regenerative Energietechnik war vor Corona natürlich schon präsent. Trotzdem war der Corona-Lockdown ein enormer Beschleuniger für diese Technologien.  Die Dringlichkeit, ein neues Weiterbildungsangebot zu schaffen, ergab sich insbesondere durch die Folgen der Pandemie für die Luftfahrtindustrie. In der Reaktion auf die 2020 eintretenden Auftragsrückgänge insbesondere bei den Engineering-Dienstleistern hat Hamburg mit seinen etablierten Netzwerken alle Stärken ausgespielt, um die richtigen Leute zusammenzubringen und Gegenmaßnahmen entworfen. Dabei war das wichtigste Ziel das Halten von Fachkräften und Vermeiden eines Brain Drains. Damit vor allem technische Fachkräfte - Ingenieure und Techniker - nicht abwandern, sollten sie Kompetenzen in einem Feld entwickeln, welches ohnehin immer wichtiger wird und wo Fachkräfte fehlen. Und diejenigen, die in Kurzarbeit waren, sollten die Zeit mit der Weiterbildung sinnvoll nutzen können."

EEHH: Mit welchen Partnern ist der Kurs entwickelt worden?

Jan Heinze: "Die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg hat mit dem frühzeitigen Aufbau von Förderstrukturen, hier insbesondere der Sonderförderung Luftfahrt, einen guten Grundstein zur Umsetzung des Programms gelegt. Von den Luftfahrtnetzwerken Hamburg Aviation, HECAS und HCAT+ kam die Initiative für das Programm, für dessen Umsetzung sie eine Taskforce gründeten. Die Hamburger Hochschulen, dabei treibend die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, als auch beratend die Uni Hamburg, HafenCity Universität und die Technische Universität Hamburg, brachten sich bei der Erstellung des Curriculums ein. Eine wichtige Frage war natürlich dann, welche Institution in der Lage ist, das Programm unter Einhaltung des geforderten Zeitrahmens, unter der einschränkenden Umständen der pandemischen Situation sowie mit den notwendigen Zertifizierungen umzusetzen. Sicherlich spielte in der Auswahl des Bildungsunternehmens auch eine Rolle, ob der Anbieter in der Vergangenheit vor allem für den Luftfahrtstandort entsprechende Projekte erfolgreich umsetzen konnte – also, ob genügend Vertrauen vorhanden ist. Die Heinze Akademie konnte mit ihrem Konzept überzeugen und bekam den Zuschlag."

EEHH: Worauf mussten Sie bei der Konzeption des Kurses besonders achten? Gab es Herausforderungen im Gegensatz zu anderen Kursen?

Jan Heinze:
"Der Zeitdruck, unter dem das Programm entstand, war immens. Wir mussten einen kompletten Experten- bzw. Trainerstamm neu aufbauen, harmonisieren und dann im laufenden Betrieb quasi ein ganzes Hochschulsemester vorproduzieren. Qualität und die Einhaltung von Zeitplänen spielen natürlich immer eine Rolle. In diesem Fall hingen jedoch unzählige Arbeitsplätze an dem Erfolg des Lehrgangs. Die damit verbundene Verantwortung war in dieser Form neu für uns - hat unser Team allerdings besonders motiviert."

EEHH: Wie war der Prozess bei der Entwicklung der verschiedenen Module? Welche Schwerpunkte haben Sie gelegt?

Jan Heinze: "Die Grobstruktur entstand aus dem runden Tisch im Dezember 2020 mit den zuvor genannten Teilnehmern und Industrievertretern von HySolutions, des Hamburg Airports, Lufthansa Technik und Airbus. Wir entschieden uns für drei Module. Data Science spielt im ersten Modul eine entscheidende Rolle, was manche überraschen mag. Aber das hat einen besonderen Grund: Die Gruppe aus Wissenschaftlern und Unternehmensvertretern hat den erhöhten Digitalisierungsbedarf in der Industrie erkannt, um die benötigten schnellen Entwicklungszyklen insbesondere beim Hochfahren der Wasserstoffwirtschaft zu gewährleisten. Davon abgesehen haben wir das Angebot breit gehalten. Die Absolventen sind als Wasserstoff-Generalisten für die Arbeit in unterschiedlichen künftigen Anwendungsfeldern aufgestellt, beispielsweise in den Bereichen Tanks, Speicher und Leitungen. Neben der Luftfahrt ist der Infrastrukturaufbau für die Wasserstoffwirtschaft ein großes Feld, in dem solche Kompetenzen gefragt sind. Didaktischer Hintergrund des Kurses ist die Handlungsfähigkeit des Einzelnen, also die Befähigung zur Lösungsfindung. Das steht für uns vor dem reinen Wissenserwerb. Denn in den genannten Branchen werden neue Aufgabenfelder entstehen, in denen neue Lösungen gefunden werden müssen."

EEHH: Ist der Kurs etwas Einmaliges im Bereich der beruflichen Weiterbildung?

Jan Heinze: "Es war eine Auflage der Hamburgischen Investitions- und Förderbank, vor dem Zuschlag an die Heinze Akademie deutschlandweit nach einem Konkurrenzprogramm zu suchen und zu vergleichen. Da das Angebot bisher rein digital ist, hätte es damit ja auch dezentral angeboten werden können. Es wurde allerdings kein Lehrgang in dieser Qualität und in diesem Umfang gefunden."

EEHH: An wen richtet sich das Angebot und wann kann man einsteigen?

Jan Heinze: "Wir sprechen mit dieser beruflichen Weiterbildung Ingenieure und Techniker an. Die erste Gruppe „Lilienthal“ startete am 31.5., die zweite Gruppe ist zwei Wochen versetzt gestartet. Wir planen mindestens einen neuen Kurs im Monat zu starten."

EEHH: Welche Bereiche eröffnen sich den Absolventen in ihren Unternehmen und dem freien Arbeitsmarkt?

Jan Heinze: "Aktuell sind 85 bis 90 % der Kursteilnehmer in Kurzarbeit, die anderen sind entweder nicht in Kurzarbeit oder Arbeitssuchende. Viele von ihnen kommen aus der Luftfahrt. Der Befähigungserwerb durch unser Programm soll aber auch für möglichst viele andere Branchen qualifizieren, weshalb wir den Luftfahrtanteil geringhalten. Durch das Programm wollen wir zum ökonomischen und ökologischen Gelingen der Energiewende beitragen, für die eine erfolgreiche Sektorenkopplung unabdinglich ist. Unsere Absolventen können zur Wertschöpfung in allen Branchen beitragen."

EEHH: Gibt es Pläne, wie der Lehrgang weiterentwickelt werden kann?

Jan Heinze: "Ja, wir wollen das Programm internationalisieren – also auch m Ausland und auf Englisch anbieten – und auch ein neuer Zuschnitt ist angedacht, etwa damit man es berufsbegleitend absolvieren kann. Wir möchten es auch mit anderen Themengebieten verschmelzen, wie dem Bereich Li-Ionen-Akkus."

EEHH: Der Lehrgang ist zu 100% digital – welche Rolle spielt das Beherrschen praktischer Verfahren für eine Beschäftigung in der Wasserstoffwirtschaft?

Jan Heinze
: "Dass praktische Elemente im Lehrplan bisher nicht auftauchen, ist auf die pandemische Lage zurückzuführen. Mit dem Lehrgang sollen viele Menschen in kurzer Zeit erreicht werden, eine Überführung in die Praxis ist wegen der hohen Teilnehmerzahl und engen Taktung der Lehrgänge nicht möglich. Abhängig von der weiteren Entwicklung wollen wir aber außercurriculare Exkursionen aufnehmen und natürlich dem sozialen Aspekt des gemeinsamen Lernens gerecht werden."

EEHH: Allgemein gefragt: Welche Bedeutung hat Wasserstoff für den künftigen Arbeitsmarkt in Hamburg?

Jan Heinze: "
Aus meiner Sicht hat das gesamte Feld der regenerativen Energietechnik über mindestens die nächste Dekade eine herausragende Rolle in der Industrie. Wasserstoff wird gegenwärtig für eine erfolgreiche Energiewende eine sehr exponierte Bedeutung zugeschrieben. In der Wasserstoffindustrie werden in Folge sehr viele Arbeitsplätze entstehen und dies nicht obwohl, sondern weil es noch viele ungelöste technische, ökonomische und zum Teil auch politische Herausforderungen in diesem Zusammenhang zu bewältigen gilt."

https://www.heinze-akademie.de/

Über Oliver Schenk

Profilbild zu: Oliver Schenk

Ich bin verantwortlich für den Bereich Marketing Wasserstoff und sorge dafür, dass die hiesigen Projekte und Formate in der Metropolregion Hamburg und darüber hinaus wahrgenommen werden. Um dem vielversprechenden Energieträger zum Durchbruch zu verhelfen unterstütze ich die Wasserstoffwirtschaft mit redaktionellen Beiträgen, Netzwerkveranstaltungen, Videoproduktionen und vielem mehr.

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